Disclaimer: Ihr erinnert euch doch hoffentlich, dass ich keine Literaturwissenschaften studiert habe, oder? Ich zähle hier nur auf, was ich in verschiedenen Schreibwerkstätten und Seminaren gehört und im Privaten umgesetzt habe 😊 Also keine Garantie zum Erfolg oder Vollständigkeit hier.

Jetzt aber zurück zum Thema. In einem früheren Artikel habe ich angefangen, einen Charakter zu skizzieren – zumindest die Grundeigenschaften zu einem Charakter zusammen zu fügen.

Ich meine diesen Artikel hier: In drei Schritten zu einem Charakter – die Basiseigenschaften

Machen wir also mit der Entwicklung von Samuel Fischer weiter.

Schritt 4: Der Beruf

Hm… hier muss ich immer länger darüber nachdenken. Was macht der Hauptcharakter beruflich? Und – eine bedeutungsschwere Frage – ist es wichtig für die Geschichte?

Wenn zum Beispiel (mal sehr vereinfacht gedacht) ein Kriminalroman geschrieben wird: ist der Hauptcharakter der Ermittler? In dem Fall macht es auch wieder einen Unterschied, ob der Ermittler bei der Polizei oder Privatermittler ist, weil damit unterschiedliche Befugnisse einhergehen. Oder ist der Ermittler der Staatsanwalt oder möglicherweise der Gerichtsmediziner?

Der Beruf spielt hier eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des Romans. Wir wollen die Handlung nicht so mit logischen Lücken pflastern, dass die Leser verzweifelt die Hände über den Kopf schlagen 😉

Und jetzt die Kernfrage: würde der Beruf als Polizist zu unserem Charakter Samuel Fischer passen? Seht ihr den introvertierten, schüchternen jungen Mann als knallharten Ermittler? Eher unwahrscheinlich, oder? Vielleicht könnte er zwischen der Privatperson und der beruflichen Persona gut unterscheiden , dennoch – die Wahrscheinlichkeit ist gering.

Ich sehe ihn eher im Labor als Computerspezialist oder als Wissenschaftler, der gerne allein seine Theorien zum Kriminalfall entwickelt und testet.

 Schritt 5: Familie und Freunde

Das soziale Leben des Hauptcharakters unter keinen Umständen vernachlässigen. Keiner von uns lebt im luftleeren Raum – nicht einmal Schriftsteller, die meist im stillen Kämmerlein ihre Arbeit machen 😁 So auch nicht unser Charakter.

Es wäre gut möglich, dass Samuel Fischer wenige Freunde hat, aber vielleicht hat er eine große Familie? Vielleicht ist er deswegen schüchtern und eher zurückgezogen, weil er eine große, laute, extrovertierte, kommunikationsstarke Familie hat – viele Geschwister, Cousins und Cousinen, Tanten und Onkeln. Vielleicht fühlt er sich inmitten der „Meute“ vergessen und unsichtbar und ist daher ein, von Grund auf, verunsicherter Mensch.

Vielleicht hat er eine Schwester oder einen Bruder, die ihm von der ganzen Familie am nächsten stehen. Bei einem Krimi: es könnte durchaus sein, dass eben diese Schwester oder dieser Bruder in Gefahr gerät oder sogar die Opfer sind. Das bringt Samuel Fischers Entschlossenheit zum Vorschein, den Mörder zu fangen.

Hier müssen auch noch grundlegende Fragen beantwortet werden: ist der Charakter Single, in einer Beziehung oder sogar verheiratet? Hat er Kinder und wenn ja, wie viele und in welchem Alter? All das ist wichtig für die Handlung des Romans, weil es wichtig für die Handlung des Charakters innerhalb des Romans ist.

Kurze Anmerkung am Rande: Der Roman schreibt sich quasi von selbst, findet ihr nicht auch? Wenn in einigen Jahren ein Roman auf dem Markt erscheint – wenn ich so viel Glück haben sollte – mit einem Hauptcharakter Namens Samuel Fischer, der in Köln lebt und in einem Kriminalfall involviert ist – dann wisst ihr, wie der Charakter entstand *LOL*

Schritt 6: Was sonst noch fehlt

Im Großen und Ganzen haben wir einen recht glaubwürdigen, soliden Hauptcharakter erfunden, der nur noch die ein oder andere Kleinigkeit braucht, um „real“ zu werden und etwas mehr Tiefe zu bekommen.

Hier gehören „Detailfragen“ hin, wie:

  • Wo lebt der Charakter? In einer Groß- oder Kleinstadt oder auf dem Dorf?
  • Was hat der Charakter für Hobbys und Interessen? Reisen, Lesen, Sport, Kochen – gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten.
  • Weitere Kleinigkeiten: Lieblingsessen? Lieblingsgetränk? Lieblingsfarbe? Usw. Im Grunde alle Summe an Kleinigkeiten, die uns Menschen zu Menschen machen.

Ich den in der Rubrik „Schritt 6 – was sonst noch fehlt“ müsste alles mit größtmöglicher Vorsicht in den Roman eingeführt werden, denn es könnte den Charakter – und die Handlung – überfrachten. Ein kurzer Roman, der sich schnell entwickelt, braucht keinen bis ins Detail ausgearbeiteter Charakter. Es ist, wie mit einem Menschen, den man im echten Leben nur sehr kurz kennenlernt. Die Bekanntschaft bleibt an der Oberfläche. Bei einem 900-seiten Roman, hat der Hauptcharakter auch viel mehr Platz, sich zu entfalten.

Fazit: Das wären meine wichtigsten Schritte bei der Entwicklung eines Hauptcharakters, die ich so durchgehe, wenn ich eine neue Person entwickeln will. Wobei das auch nicht immer funktioniert, siehe meine Anmerkung im ersten Teil dieser Serie. Schreibt mir gerne, wenn ich aus eurer Sicht einen wichtigen Aspekt vergessen haben sollte oder welche Eigenschaften euer Charakter unbedingt haben muss – meine Hauptcharaktere haben z.B. meist blaue Augen. Keine Ahnung, warum. Meine sind braun 😊

Hinweis: die Bilder habe ich dieses Jahr in Polen – genauer: in Breslau – geschossen. Die Breslauer Gnome sind ein absoluter Highlight, wie ich finde. Ich hatte sehr vie Spaß daran, sie zu „jagen“.

Zum Abschluss der Serie zeige ich euch hier noch zwei weitere, weil sie einfach so niedlich sind 😍

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

linaschreibt
Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.