Wie ich bereits öfter erzählt habe, gehe ich jede zweite Woche zu einer Schreibwerkstatt, um zusammen mit anderen kreativen Köpfen ein wenig zu trainieren und meist auch, um aus meiner Komfortzone rauszukommen. Nichts regt die Kreativität mehr an, als über Themen zu schreiben, die einem so gar nicht liegen 😉
Es klappt auch nicht immer, ich habe nicht in allen Fällen irgendwelche Ideen und bei meinen Texten muss meistens einer sterben oder die Geschichten werden recht düster, aber oft kommt etwas zustande, das mehr oder weniger inspiriert ist. Sind es Meisterwerke? Natürlich nicht! Machen sie Spaß? Eine Menge!
Aber probiert es gerne selbst aus – Schreibübungen in einer Gruppe können auch gut gegen Schreibblockaden helfen. Zu sehen, wie andere eifrig kritzeln oder tippen, regt einen ganz schön an 😁
Die lezten beiden Übungen haben bei mir gute Resultate gebracht – die Schreibblockade, mit der ich seit Anfang des Jahres kämpfe, scheint sich langsam aufzulösen. Ein Glück!
Wie immer sind beide Texte im Rohzustand, so, wie sie in der Schreibwerkstatt entstanden sind.
Übung 1: Schreibt einen Text zu einem Sprichwort
Jeder von uns hat auf einen Zettel ein Sprichwort erhalten und unser Text sollte sich darauf beziehen. Mein Sprichwort war: „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“. Na, wenn das kein gefundenes Fressen für mich war 😈
Mein Text:
Alex ging seinen Plan gedanklich durch und es war alles vorbereitet: die Müllsäcke, das Ducktape, die kleine Schaufel – die große brauchte er ja nicht mehr – und selbstverständlich auch Handschuhe, Desinfektionsmittel, Putzlappen, Seife, Ganzkörperanzug, Schuhüberzieher. Die Liste war vollständig, es war wirklich alles da. Er durfte die Körperteile nicht vergessen, das wäre ja noch schöner. Der Weg in den Wald und zurück hätte ihn viel zu viel Zeit gekostet. Alex zählte die schweren Säcke: fünf große blaue Müllsäcke und der gelbe Sack mit dem Kopf. Na gut, vielleicht hatte er ein wenig ironisch sein wollen – Recyceln würde man den Kopf ja wohl kaum können. Alex grinste über seinen eigenen Witz.
Er holte das Auto aus der Garage, fuhr es um das Haus herum und fuhr rückwärts so nah an die Hintertür, wie es nur ging. Warf alles ins Auto – Utensilien, Körperteile, den ganzen Kram eben. Schloss die Wagentür, fuhr vorsichtig vom Hof. Ohne Lichter, auch wenn die nächsten Nachbarn mehrere Kilometer weit weg waren. Niemand konnte ihn sehen. Niemand würde ihn sehen und am nächsten Morgen würde er Alarm schlagen, sich besorgt zeigen, einen großen Aufriss machen und so weiter und so fort.
Hätte man ihm bloß vor Jahren gesagt, wie einfach es sein konnte.
Alex fand ohne Schwierigkeiten die Stelle im Wald mit der ausgehobenen Grube. Die große Schaufel lag immer noch an der Stelle, wo er sie gelassen hatte. Ohne jede Eile parkte er den Wagen und entlud seine Fracht. Erst den Kopf. Er würde zuerst den Kopf entsorgen. Wobei er sich in einen Punkt geirrt hatte – den Kopf konnte man durchaus recyceln. Er war ein ausgezeichnetes Düngemittel für den Baum, unter dem – Alex fühlte, wie ihm der Boden unter den Füßen entglitt, da konnte er noch so viel mit den Armen rudern, die lockere Erde unter seinem Gewicht gab nach und er brach ein. Der Kopf segelte durch die Luft. Alex rutschte unkontrolliert in die Grube, der Kopf trudelte hinter ihm her. Sie blieben beide am tiefsten Punkt des Grabens stehen. Alex atmete tief durch. Er spürte keine Schmerzen. Das hätte schief gehen können, aber er hatte sich wohl nichts gebrochen. Alex versuchte, sich aufzurichten, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Er versuchte es immer und immer wieder, doch kam keinen Millimeter vom Fleck. Vom Hals abwärts rührte sich nichts an ihm, trotz aller Anstrengungen. Sein eigener Kopf lag seitwärts auf dem Waldboden und starrte ins grinsende Gesicht einer Toten.

Übung 2: Schreibe einen Text zu einem Gegenstand
Der Übungsleiter hat auch hier Zettel verteilt und darauf stand ein Gegenstand oder ein Beruf. Dazu sollten wir etwas schreiben. Mein Wort war: Blitzableiter.
Da habe ich erst doof geschaut, aber letztendlich fiel mir dann doch etwas ein 🥳
Mein Text:
„Sie suchen also jemanden, der sich wirklich auf ihr Haus stellt und versucht, als Blitzableiter zu dienen?“, fragte Sven fassungslos.
„Nicht versucht, junger Mann“, sagte der Alte. Er sprach geduldig, wie zu einem kleinen Kind. „Wenn die Wettervorhersagen Gewitter ankündigen, sollen Sie sich mit einer mittelalterlichen Rüstung bekleidet auf unser Dach stellen und Blitzableiter sein.“
„Mit einer mittelalterlichen Rüstung?“, stammelte Sven.
„Selbstverständlich. Rüstungen sind ideal für die Stelle. Rundherum reines Metall. Das garantiert jeden Blitz im Radius von fünf Kilometern einzufangen.“
„Stellen Sie die Rüstung?“ Sven kam sich vor wie bei versteckter Kamera. Das konnte doch nur ein kolossaler Witz sein. Wo hatte ihn die Arbeitsagentur denn jetzt schon wieder unter Androhung schwerwiegendster Konsequenzen hingeschickt? Blitzableiter! Also wirklich! Entweder erlaubte sich einer seiner Freunde mit ihm ein Scherz oder die Alten hatten alle den Verstand verloren.
„Die Dienstkleidung wird Ihnen gestellt“, bestätigte der Alte ohne mit den Wimpern zu zucken. „Sie sind jedoch für die Pflege verantwortlich.“
„Die Pflege?“
„Wir erwarten bei jedem Einsatz eine gut polierte Rüstung. Sie soll in vollem Glanz erstrahlen. Wir wollen keine Rostflecke und keine Verunreinigungen.“
„Aha!“ Sven schwieg. Er wusste nicht genau, wie er reagieren sollte. Wenn er lachte, und es stellte sich heraus, dass der Alte nur krank war, würde er sich schämen. Wenn er nicht lachte, drohte er zu explodieren – buchstäblich – so sehr bemühte er sich, seine Impulse zum hysterischen Gelächter zu unterdrücken.
„Was sagen Sie, junger Mann?“, drängte der Alte freundlich.
Sven holte tief Luft. „Warum bauen Sie nicht einfach einen mechanischen Blitzschutz ein“, stieß er schnell aus, bevor er laut lachen musste.
Der Alte schüttelte den Kopf. „Das würde die heilenden Signale der Sonne unterbrechen. Daher kann ein permanenter Blitzableiter nicht auf dem Haus stehen. Aber wenn es gewittert, kommen die Signale der Sonne sowieso nicht durch, daher brauchen wir einen mobilen Blitzableiter. Also ein Mensch.“
„Ach herrje!“ Sven konnte nicht mehr an sich halten. Er lachte und lachte und lachte.
Der Alte sah ihn nur geduldig an. „Ich sehe, wir werden uns nicht einig, junger Mann.“
„Nein“, sagte Sven, sobald sich sein Lachanfall gelegt hatte. „Tut mir leid. Aber Blitzableiter ist nicht gerade mein Traumberuf.“
„Verstehe.“ Der Alte neigte den Kopf. „Wir haben noch vier weiter Bewerber, daher danke ich Ihnen für Ihre Zeit.“
Sven wollte bereits aufstehen, doch der Alte deutete auf seinen Tee. „Bitte trinken Sie doch aus.“
Sven lächelte. „Es ist ausgetrunken, danke.“
Der Alte grinste. Sein Grinsen wurde breiter und breiter. Sven schwankte.
„Ich muss jetzt wieder gehen“, stammelte Sven. „Ich habe noch ein Job…“
Das Gesicht des Alten wurde groß, unendlich groß. Seine Augen leuchteten wie Diamanten in der Dunkelheit. Ein teuflisches Grinsen umspannte sein Gesicht. „Den werden Sie heute nicht mehr führen können.“
Sven schwankte zur Tür. Verlor das Gleichgewicht. Stolperte. Fiel hin. Versuchte sich aufzurichten. Blieb schließlich reglos liegen, die Augen weit aufgerissen. Im Hintergrund hörte er entfernt noch das Scheppern von Metall. „Sehen Sie, junger Mann.“ Der Alte beugte sich über ihn. „Heute Nacht wird es nämlich Gewitter geben.“
Disclaimer: beide Bilder habe ich selbst auf meiner Reise in der Toskana geschossen 😉 und wie immer, freue ich mich sehr auf Feedback.